Der seltsame Finanzbericht von BitGo: 0,3% Gewinnmarge bei gleichzeitig 90% Verschuldungsgrad

Die tatsächlichen Geschäftszahlen von BitGo sind nicht so schlecht, wie sie auf den ersten Blick erscheinen.

Verfasst von: Eric, Foresight News

Am Freitag, Ortszeit USA, reichte der Krypto-Verwahrungsdienstleister BitGo Unterlagen bei der US-Börsenaufsichtsbehörde SEC ein, um einen Börsengang (IPO) zu beantragen. Als einer der größten Verwahrungsdienstleister im Web3-Sektor gibt BitGo mit diesem Börsengang erstmals einen vollständigen Einblick in das Unternehmen, das in der Series-C-Finanzierungsrunde mit 1.75 Milliarden US-Dollar bewertet wurde.

BitGo wurde 2013 gegründet und gilt als „Pionier“ im Bereich der Verwahrung. Unter der Führung der beiden technisch versierten Gründer Mike Belshe und Ben Davenport brachte BitGo als erstes eine Multi-Signatur-Lösung für Bitcoin auf den Markt und entwickelte später die Threshold Signature Scheme (TSS)-Lösung. Beide Technologien sind bis heute die am weitesten verbreiteten Sicherheitslösungen im Bereich digitaler Vermögenswerte. 2018 gründete BitGo die BitGo Trust, die regulierungskonforme Cold-Storage-Dienste anbietet und damit die bestehenden Hot-Wallet-Lösungen ergänzt. Im Jahr 2020 erweiterte BitGo sein Angebot um BitGo Prime, das auf der bestehenden Verwahrung aufbaut und Kunden Handels- und Kreditdienstleistungen bietet.

Die beiden Gründer von BitGo verfügen über einen sehr starken technischen Hintergrund. Mike Belshe arbeitete bereits 1993 als Ingenieur bei HP und gründete 2003 zusammen mit Eric Hahn Lookout Software, ein Unternehmen, das sich auf E-Mail-Suche spezialisierte und später von Microsoft übernommen und in Outlook integriert wurde. Nach seinem Eintritt bei Microsoft wurde Mike Belshe eines der frühen Mitglieder des Chrome-Teams, erfand gemeinsam das SPDY-Protokoll und trieb dessen Standardisierung zu HTTP/2.0 voran.

Ben Davenport ist nicht nur Mitbegründer von BitGo, sondern auch CTO. Er war zuvor als Ingenieur bei Microsoft, Google und Facebook (jetzt Meta) tätig. Ben Davenport war Mitbegründer der mobilen Gruppenchat-App Beluga, die später von Facebook übernommen wurde. Die Technologie von Beluga bildete die Grundlage für Facebook Messenger, und Ben Davenport wurde Teil des Gründungsteams von Facebook Messenger. Darüber hinaus war Ben Davenport als Angel-Investor an den Finanzierungsrunden von Lighting Labs, Paxos und Kraken beteiligt.

Laut den von BitGo eingereichten Unterlagen halten Institutionen mit mehr als 5 % Anteil an BitGo folgende Anteile: Redpoint (11,4 %), Valor (führender Investor der Series-B-Finanzierungsrunde von BitGo, 13,2 %), Craft Ventures (7,8 %) und Bridgescale (6,5 %). Diese vier Hauptaktionäre halten zusammen 38,9 % der Anteile. Zu den Führungskräften mit Anteilen gehören Gründer Mike Belshe, CFO Edward Reginelli, COO Chen Fang, BitGo Trust COO und Präsident Jody Mettler sowie Chief Compliance Officer Jeff Horowitz. Der von außen vermutete enge Partner von BitGo, Justin Sun, ist nicht unter den offengelegten Aktionären.

BitGo ist unbestritten eine der einflussreichsten Firmen der Branche. Im August 2023 schloss BitGo eine Finanzierungsrunde über 100 Millionen US-Dollar bei einer Bewertung von 1.75 Milliarden US-Dollar ab. Doch die Finanzdaten zeigen, dass das Geschäft von BitGo nicht so lukrativ ist, wie man vielleicht erwartet hätte.

Allein anhand dieser Tabelle aus dem Finanzbericht lassen sich kaum nützliche Informationen ableiten. Es ist schwer zu glauben, dass bei einem Umsatz von 4.185 Milliarden US-Dollar ein operativer Verlust von 1,31 Millionen US-Dollar entstanden ist. Um die tatsächliche Geschäftslage von BitGo zu verstehen, muss man die Details des Berichts genauer analysieren.

BitGo erklärt in den Unterlagen, dass das Unternehmen im Bereich Verkauf und Staking digitaler Vermögenswerte als „Accounting Principal“ agiert und daher die Umsätze brutto ausweist. Das bedeutet, dass die 3.883 Milliarden US-Dollar nicht den tatsächlich durch den Verkauf digitaler Vermögenswerte erzielten Nettoumsatz darstellen, sondern den Gesamtbetrag der erhaltenen Zahlungen. Nach Abzug der Verkaufskosten von 3.876 Milliarden US-Dollar beträgt der tatsächliche Umsatz von BitGo aus dem Verkauf digitaler Vermögenswerte 7,506 Millionen US-Dollar.

Die Berechnungsmethode für das Staking-Geschäft ist ähnlich: BitGo erzielte im Staking-Geschäft tatsächlich einen Umsatz von 27,326 Millionen US-Dollar. Auch der in diesem Jahr neu hinzugekommene Umsatz aus Stablecoin-as-a-Service beläuft sich tatsächlich auf 410.000 US-Dollar. Der wichtigste Umsatzposten, einschließlich Verwahrung, beträgt 48,365 Millionen US-Dollar.

Daraus lässt sich schließen, dass der tatsächliche operative Umsatz von BitGo im ersten Halbjahr 84,221 Millionen US-Dollar betrug. Zusammen mit sonstigen Einnahmen von 21,762 Millionen US-Dollar ergibt sich ein Gesamtertrag von etwa 105,6 Millionen US-Dollar und ein Nettogewinn von 12,581 Millionen US-Dollar, was einer Nettomarge von etwa 11,9 % entspricht. Die Zahlen für das erste Halbjahr 2024 lauten: operativer Umsatz 54,505 Millionen US-Dollar, Gesamtertrag 94,455 Millionen US-Dollar, Nettogewinn 30,905 Millionen US-Dollar, Nettomarge 32,7 %.

Aus den Zahlen lässt sich schließen, dass die Umsätze von BitGo kontinuierlich steigen, die Verluste jedoch immer weiter schrumpfen, aber das Unternehmen noch keinen Gewinn erzielt hat. Der Anteil der Abonnement- und Serviceerlöse am operativen Umsatz – dem Hauptgeschäft von BitGo – lag in den drei dargestellten Zeiträumen bei 57,4 %, 53,7 % und 67 %, mit absoluten Werten von 48,365 Millionen US-Dollar, 40,9 Millionen US-Dollar und 36,543 Millionen US-Dollar. Die übrigen operativen Umsätze lagen absolut bei 35,856 Millionen US-Dollar, 35,213 Millionen US-Dollar und 17,962 Millionen US-Dollar.

Daraus ergibt sich, dass die Einnahmen aus Handel, Staking und anderen Geschäften im ersten Halbjahr dieses Jahres nicht gestiegen sind und das Wachstum der Serviceerlöse zwischen 10 % und 20 % lag. In Zukunft sollte man bei den operativen Umsätzen weiterhin beobachten, ob die Serviceerlöse die Wachstumshürde überwinden können und ob die anderen Geschäftserlöse deutlich steigen. Bei den Kosten und Aufwendungen gibt es keine besonderen Auffälligkeiten.

Bei den sonstigen Einnahmen sind vor allem die Wertveränderungen der gehaltenen Kryptowährungen entscheidend, daneben gibt es Wertminderungen auf den Firmenwert sowie Gewinne oder Verluste aus der Veräußerung von Vermögenswerten. So wurde 2024 eine Wertminderung auf den Firmenwert des übernommenen alternativen Investmentdienstleisters Brassica vorgenommen und ein Gewinn aus dem Verkauf von Vermögenswerten im Zusammenhang mit der WBTC-Lösung erzielt. Der größte Teil entfällt jedoch auf die Wertveränderungen der Reservevermögen von BitGo. Die Nutzung von Wertsteigerungen der gehaltenen Krypto-Assets zur Gewinnsteigerung ist eine gängige Praxis bei Web3-Unternehmen.

Nachdem die Geschäftszahlen erklärt wurden, werfen wir einen Blick auf die Vermögens- und Schuldensituation.

Die Vermögens- und Schuldensituation folgt einer ähnlichen Logik wie zuvor: Nach Abzug der für Kunden verwahrten Stablecoin-Reservevermögen und Sicherheiten belaufen sich die Vermögenswerte von BitGo auf etwa 639 Millionen US-Dollar und die Verbindlichkeiten auf etwa 277 Millionen US-Dollar. Daraus ergibt sich eine Verschuldungsquote von etwa 43,3 %, was deutlich besser ist als die auf Basis aller Daten berechneten 89,3 % und sich im angemessenen Bereich befindet.

Laut den von BitGo bereitgestellten Daten lag das bereinigte EBITDA (Ergebnis vor Zinsen, Steuern, Abschreibungen und Amortisationen, bereinigt um Steuern, Zinsen, Wertveränderungen digitaler Vermögenswerte usw., mit Fokus auf das Kerngeschäft) im ersten Halbjahr 2024, im zweiten Halbjahr 2024 und im zweiten Halbjahr 2025 bei -1,913 Millionen US-Dollar, 5,192 Millionen US-Dollar und 6,864 Millionen US-Dollar. Obwohl diese Zahlen zeigen, dass das Geschäft von BitGo tatsächlich wächst, ist – wie bereits im ersten Teil berechnet – das Absichern potenzieller Verluste durch Schwankungen digitaler Vermögenswerte eine grundlegende Fähigkeit für ein Finanzunternehmen. Aus Sicht des Autors muss BitGo sein Finanzgeschäft weiter verbessern.

Die Kundenzahl von BitGo lag zum 30. Juni dieses Jahres bei über 4.600, mit einer jährlichen Wachstumsrate von 81,2 % in den letzten zweieinhalb Jahren. Das starke Wachstum der Kundenzahl hat jedoch nicht zu einem ebenso starken Anstieg der Umsatzzahlen geführt.

Insgesamt lässt sich sagen, dass die finanzielle Situation von BitGo nicht so schlecht ist, wie es die oberflächlichen Zahlen vermuten lassen, und das Verhältnis von Vermögenswerten zu Verbindlichkeiten bleibt im angemessenen Bereich. Als bei Investoren beliebtes, großes B2B-Geschäft wächst BitGo jedoch relativ langsam, und die künftigen Wachstumsmöglichkeiten könnten begrenzt sein. Ohne die Aufnahme ausreichend attraktiver neuer Geschäftsbereiche ist das Potenzial für eine höhere Marktkapitalisierung von BitGo eher gering.